Arschgeweih

Der Hüftschwung vor mir zieht meine Blicke magnetisch auf sich. Von hinten altersmäßig nicht leicht einzuordnen, aber angesichts des großzügig zur Schau gestellten, prallen Mädchenfleisches auf Anfang zwanzig geschätzt, stelzt oder stöckelt dieses Geschöpf vor mir dahin. Spaghetti-Top oben, Jeans im aktuellen Schnitt unten, der den Blicken der Verfolgerin die beiden Grübchen oberhalb des wippenden Hinterteils offenbart, dort wo so viele Jungmädchen eine Tätowierung vorzuweisen haben, deren horizontale Ausdehnung etwa zwei- bis viermal breiter ist als die vertikale, und die gerne und zutreffend als Arschgeweih bezeichnet wird.

Die vor mir Stöckelnde trägt jedoch keine Tätowierung am verlängerten Rücken, obwohl doch die Kombination von kurzem Top mit tiefsitzender Hose geradezu danach schreit. Das Arschgeweih ist in ihrem Fall vielmehr auf der Jeanshose zu bewundern, schwarz auf Blau gestickt, ein bisschen tiefer sitzend als sonst auf der Haut üblich.

Wie praktisch, denk ich, kann man auch mal ablegen, das Geweih, wenn es nicht mehr dem Zeitgeschmack entspricht. Und dabei fällt mir wieder ein, was mich die ganze Zeit über an den Herren WM-Fußballgöttern auf dem Rasen gestört hat: Die Tätowierungen.

Einige Nationen treiben es ja bis zum Exzess. Die Engländer beispielsweise. Auf der Insel scheint es derzeit ohne flächendeckende Tattoos mindestens für die Herren keine Popularität zu geben. Aber das gilt nicht nur für die Spieler, sondern auch für deren Gefolgschaft. Kann man ja zu sagen wagen, jetzt wo sie wieder abgerückt sind.

Aber auch bei den Argentiniern ist mir der Tätowierwahn unangenehm aufgefallen. Ganz fürchterlich schrecklich wirkt auf mich der männliche Arm, der mit irgendwelchen unlesbaren aber doch sehr an Text erinnernden, martialischen Zeichenketten bestückt ist.

Widerlich ist das.
kid37 meinte dazu am 4. Juli kurz nach 12 Uhr

Ich finde, es kommt darauf an, wie die gestaltet sind. Zerstückelte, stilistisch uneinheitliche Werke am ganzen Körper (ein Delphin am Knöchel, eine Rose am Oberarm und ein Tribal auf dem Rücken) sind ästhetisch nicht so schick wie großflächige Stücke aus einem Guß. Bei Schrift ist Vorsicht geboten. Angeblich hat sich der Stecher bei Beckham verschrieben, und Bekenntnisse wie "Das hermetische Café" wird man bei nachlassender Sympathie so schwer wieder los.

schickse antwortete darauf am 4. Juli kurz nach 13 Uhr

Da haben Sie sehr recht, Herr Kid. Text geht gar nicht. (Auch weil man Aussagen wie Das Hermetische Café wohl nicht einmal entziffern könnte. Oder sollte ich mir eine Lesebrille zulegen?)

Aber die Dauerhaftigkeit von Gemälden und Aussagen, die unter die Haut gehen, sind in meinen Augen immer das größte Problem. Vor langer Zeit hatte ich mal einen Bildwitz gesehen: Zwei Frauen von hinten im Bikini am Meeresstrand, auf der Pobacke der jungen prangt eine tätowiertes Herz mit Pfeil. Bei der älteren ist an gleicher Stelle nur mehr ein diffuser, schwarzer Knäuel zu sehen, und sie sagt: Meins war mal ein Adler.

Habe mir damals geschworen, nie eine Tätowiernadel an meine Haut zu lassen, nur Dove [zensiert] und Wasser. Ich stell mir die Arschgeweihträgerinnen immer gerne mit sechzig oder siebzig Jahren vor.


Nachtrag: Seit heute Morgen geht mir eine Songmelodie zum Thema nicht mehr aus dem Kopf. Jetzt hab ich sie endlich!
Bilderbuch Rosy von Volker Lechtenbrink über eine Ganzkörpertätowierte, die als Jahrmarktsattraktion auftritt. Schaurig schöne Schnulzen gesungen von der Stimme Kris Kristoffersons. War mal meine Lieblingsplatte aus der Sammlung meiner Tante. Ein absolutes Muss bei jedem Familienbesuch!

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