Samstag, 16. September 2006

Sommer auf Rügen (1)

Glauben Sie an Reinkarnation?, fragte Inspektor Sonderburg die verstört wirkende junge Frau auf der ansonsten nun menschenleeren Hotelterrasse. [*] Über dem Tischchen ein paar Schritte rechts neben der Frau flatterte eine aufgeregte Möwe, landete immer wieder kurzzeitig mit den schwimmhäutigen Füßen auf den Tellern und Platten und pickte Leckerbissen aus den Resten eines in der Sonne längst vertrockneten Frühstücks.

Mathias Sonderburg hatte in den vergangenen gut zwanzig Jahren bei der Mordkommision gelernt, Zeugen und Tatverdächtige durch unerwartete Bemerkungen oder Fragen aus der Reserve zu locken. Dies war eine weitere Gelegenheit, bei der er sein Glück versuchte.


Als er vor zehn Stunden von der Zentrale alamiert worden und kurz darauf im Hotel am Strand angekommen war, waren fünf Streifenbesatzungen der Kollegen vom Einsatz dabei, Angestellte und Gäste des Hotels zu beruhigen und Personalien aufzunehmen. In der Gegenwart von vierundzwanzig Augenzeugen war ein Mann mittleren Alters am Frühstückstisch in sich zusammengesunken, das Gesicht in einem Berg Rührei vor sich begrabend. Auf dem Rücken seines hellen Jackets hatte sich innerhalb von Sekunden ein Blutfleck ausgebreitet. Der herbeigerufene Notarzt hatte Tod durch Herzschuss in den Rücken festgestellt.

Als Sonderburg beinahe zeitgleich mit seiner Kollegin Marietta Krüger am Tatort eintraf, wurde die Leiche gerade von der Spurensicherung untersucht. Schon eine Identität?, hatte er routinemäßig gefragt, ohne allzugroße Hoffnung auf eine Bestätigung. Aber zu seiner Überraschung kam sofort die Antwort von Marietta: Christof Sander. Das hier ist ohne jeden Zweifel Professor Doktor Christof Sander.

Stirnrunzelnd warf Sonderburg der jungen Kollegin eine schrägen Blick zu. Aber Marietta hatte rasch aus ihrem Rucksack ein Taschenbuch gezogen und Sonderburg das Foto auf der Rückseite des Covers gezeigt. Tatsächlich, abgesehen von den Rühreiresten waren das Gesicht der Leiche und das des abgebildeten Buchautoren vollkommen identisch. Der Kriminalinspektor wendete das eselsohrige, schwer mitgenommene Taschenbuch in seinen Händen und las mit halblauter Stimme den Titel ab:

Ten Theses on Triggered Reincarnation - Zehn Thesen zur eingeleiteten Wiedergeburt


Ungläubig starrte Sonderburg seine Kollegin an. Was zum Teufel hatte die kleine Krüger mit diesem Reinkarnations-Zauber am Hut? Er hatte sie immer für eine vernunftbetonte, sachlich denkende und argumentierende Frau gehalten. Und doch stellte sich jetzt heraus, dass sie im Privatleben ganz anders war. Frauen mit esoterischen Ticks gingen Sonderburg auf die Nerven, seit er sich vor Jahren von seiner damaligen Ehefrau getrennt hatte. Die hatte ihn schlicht zermürbt mit ihrem ewigen Gequatsche über Buddhismus, die Unantastbarkeit tierischen Lebens, gutem und schlechtem Karma, Feng Shui und einer Menge anderen nicht nachweisbaren Blödsinns. Zuletzt hatte sie ihm dann erklärt, dass von den existierenden 4.300 Säugetierarten gerade mal 215 monogam seien und dass sie neben ihm noch einen anderen Mann hätte. Da hatte Sonderburg seine Frau aus dem Haus geworfen und war hinterher erleichtert, als die Nervensäge endlich aus seinem Leben verschwunden war.

Aber das gehörte nicht hierher, und der Inspektor schüttelte die Erinnerung mit einer Handbewegung ab, als hätten sich Spinnweben um seinen Kopf gelegt.

Marietta schien die Gedanken ihres Kollegen erraten zu haben, denn sie zog die linke Augenbraue nach oben, so wie sie es immer zu tun pflegte, bevor sie Erkenntnisse beisteuerte, die sie für wichtig hielt und auf die sie stolz war:
Das mag nach Voodoo klingen, ich weiß. Und zugegeben, Professor Sander hat nach der Veröffentlichung dieser Studie seinen Lehrstuhl an der Uni verloren. Aber glaub mir, Mathias, was er schreibt, hat Hand und Fuß. Er ist kein Spinner. Ich würde das sonst nicht lesen, das weißt du.

Wie sich später herausstellen sollte, war der Tote tatsächlich Christof Sander. Und er hatte bis kurz vor seiner Ermordung mit einer Frau namens Regina Zölis auf der Terrasse des Hotels in unmittelbarer Nachbarschaft weiterer dreiundzwanzig Personen gefrühstückt. Plötzlich sei sein Blick starr geworden, so berichtete Frau Zölis, und er sei nach vorne auf die Tischplatte gekippt. Mehr könne sie zum Geschehen nicht sagen. Und nein, sie kenne noch nicht einmal den Namen des Opfers, da sie den Mann erst wenige Minuten zuvor im Hotel kennengelernt habe.

Sonderburg glaubte der jungen Frau kein Wort und beschloss, einen Versuch zu wagen und sie mit seiner improvisierten Bauchfrage aus der Reserve zu locken: Glauben Sie an Reinkarnation?
Der Inspektor war ein guter Beobachter, und als Regina Zölis auf dem Absatz herumwirbelte, entging ihm nicht das kurze Flackern der Panik in ihren Augen, bevor sie ihm vollkommen gefasst antwortete: Was soll das denn mit dem Mord zu tun haben? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!

Er blickte Frau Zölis mit steinerner Miene in die Augen. Aber innerlich triumphierte Sonderburg. Er war auf der richtigen Fährte. Die Frau wusste etwas, das sie nicht preisgeben wollte. Und er war überzeugt davon, dass dieses Geheimnis mit dem Ermordeten zu tun hatte.

Warum?

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